Auf dem Weg zum Nordkap, dem nördlichsten Europäischen Punkt und Hammerfest durchqueren wir nach dem Baltikum, also Litauen, Lettland und Estland, auch Finnland. Eigentlich wollten wir bei einer Reise in den fernen Norden durch Russland fahren und dabei das dortige Karelien und die Halbinsel Kola entdecken. Aufgrund Corona ist uns das nun leider verwehrt. 11 Tage verweilen wir in Finnland, vom 30. Juli bis zum 9. August 2020.
Das Wetter in Finnland ist so gigantisch schön sommerlich, dass wir uns dort länger aufhalten werden als geplant. Von einer Hitzewelle ist die Rede. Das Nordkap muss eben noch ein bisschen warten.
1. Helsinki 2. Finnische Seenplatte 3. Varkaus - das verrückte Museum 4. Savonlinna und Kerimäki 5. Rovaniemi, Polarkreis - Arktis 6. Lappland, Rentiere 7. Corona 8. Daten und Fakten |
Bei unserer Abfahrt vor 3 Wochen hatten wir keinen Plan. Sollen wir ans Schwarze Meer fahren oder nach Skandinavien? Finnland ließ zu jenem Zeitpunkt keine Touristen ins Land. Corona. Olaf, ein Bekannter von uns, befuhr zurzeit Schweden und beklagte sich, nicht durch Finnland reisen zu können. Unter anderem genoss er seit drei Wochen Dauerregen und Kälte. Andererseits wurde für mehrere Balkanländer ein Anstieg der Corona-Fallzahlen gemeldet. Wir entschieden uns schließlich für den Norden, siehe Reisebericht über das >Baltikum<
Helsinki
Was heißt Sonnenuntergang auf Finnisch? Helsinki!
Wir verlassen die Fähre aus Tallin, von Estland kommend, als befänden wir uns gar nicht im Ausland. Schengen macht’s möglich. Keine Kontrollen, auch nicht wegen Corona. Vor 2 Wochen wurden die Einreisebeschränkungen wieder aufgehoben. Komplett.
Unversehens befinden wir uns mitten in der Stadt. Der Fährhafen liegt eben auch mittendrin. Wir wissen noch überhaupt nicht, wohin wir fahren sollen und fahren einfach mal drauflos. Eine schöne Stadt, sagt unser Bauchgefühl. Zweimal umrunden wir das schön gestaltete Bahnhofsviertel.
Wir übernachten außerhalb der Stadt an der Ostsee.
Schön ist es rund um das ganze Bahnhofsgelände. Helsinki lädt zum Innenstadt-Spaziergang ein.
Finnland ist ein HiTec-Land, was elektronische Kommunikationsmittel betrifft. Irgendwie funktioniert hier alles automatisch. So fahren wir auf der Fahrt zurück nach Helsinki durchs finnische Silikonvalley, wo sich auch ein Komplex von Nokia befindet.
Bargeld scheint abgeschafft zu sein. Man bezahlt hier einfach alles bargeld- und kontaktlos. Auch kleinste Beträge. Wir parken in der Stadt an einer Felsenkirche, die wir besichtigen wollen. Die Parkplätze sind kostenpflichtig. Aber wie geht das? An einem Automaten mit Bildschirm tippt man das Autokennzeichen ein und hält das Handy dran und schon ist mit Apple-Pay bezahlt. Einen Parkschein ins Fahrzeug zu legen ist nicht notwendig. Die Politessen und Politesseriche haben auch ein Gerät und halten dieses an das Kennzeichen und schon wissen sie, ob sie per Knopfdruck ein Knöllchen verteilen dürfen oder nicht… natürlich auch elektronisch.
Temppeliaukio-Kirche - der Eingang der Felsenkirche. Mitten in der Stadt. Man hat das Gefühl einen Bunker aus dem Krieg zu betreten.
Mitten in Helsinki gibt es einen großen Felsen. Der blieb nicht ungenutzt. Christen bauten in den 60er-Jahren einfach eine Kirche hinein und drum herum. Der Fels wurde zum Bestandteil der Kirche. Im Innenraum sind die blanken Felswände zu sehen. Die Temppeliaukio-Kirche.
Am Eingang der Kirche kommen wir zufällig mit dem Kantor ins Gespräch, also dem Organisten. Er spricht Deutsch. Er gibt auch manchmal größere Orgelkonzerte, in dieser sowie in anderen Kirchen und Sälen. Er zeigt uns eine Treppe, die wir hochsteigen können und von oben fotografieren können. Machen wir. Doch als wir von unten in den Saal eintreten möchten, stehen wir vor eine Kasse. 10 Euro sollen wir löhnen. Wir löhnen nicht, haben wir eigentlich doch schon alles gesehen. Was würde Jesus sagen, wenn er hier rein wollte??? In seines Vaters Haus? Oder ist es doch nicht seines Vaters Haus...?
Die runde Temppeliaukio-Kirche in Helsinki wurde direkt in den nackten Fels gehauen.
Jetzt kommt was für Männer: Eisbrecher. Während der Sommerzeit liegen dicke Pötte an einem Kai, die sich im Winter durchs dicke Eis fräsen. Beeindruckend. Finnland nennt sich die Eisbrecher-Supermacht, ist das Land in Sachen Eisbrecher weltweit führend. Mit diesen gefräßigen Dickschiffen halten sie die Zufahrten und Schifffahrtswege aus der Ostsee kommend eisfrei. Eine Marketing-Meisterleistung gelang Finnland sogar, indem sie solch ein Schiff nach Afrika verkauften. Nun lockt auch eine weitere Verwegenheit: eine Nordost-Passage nach Asien eisfrei zu halten.
Auf Fotos sehen diese Schiffe gar nicht mal so groß aus, da sie von der Form her nicht einem Ozeandampfer gleichen. Steht man aber davor, fragt man sich dann, ob man nicht vor einem riesigen Gebäude steht.
Finnland - die Eisbrecher Supermacht - so mächtig wie die Eisbrecher selbst.
Finnische Seenplatte
Der schönste Weg in den Norden Finnlands ist: entlang der russischen Grenze und durch die finnische Seenplatte. Sagte man uns. Wir haben uns vor der Reise über gar nichts informiert. Also folgen wir einfach diesem Rat und fahren ostwärts in Richtung der russischen Grenze bis nach Lapeenranta.
Kurz vor dieser Ortschaft übernachten wir an einem netten See in einem großen Waldgelände mit riesig viel Platz. Wir stehen ganz alleine für uns direkt am Wasser. Kurze Zeit später kommt ein Caddy angefahren, macht sich direkt neben uns breit und baut sein Surf- und Übernachtungslager um uns herum auf. Das darf doch nicht wahr sein. Ein Kuschelcamper!
Können wir den nicht irgendwie weg ekeln? Wir versuchen es und drehen unser Radio an. Laut. Schräge Rockmusik. Unser Dachzelt dämpft ja nicht wirklich irgendwelche Geräusche ab. Unser Krach geht uns selbst auf die Nerven. Wie lange wir das wohl durchhalten werden? Ich greife nach meinen Oropax. Wir erwarten Beschwerden. Es vergeht fast eine Stunde. Nichts. Und doch, gerade, als ich entscheide, die Musik wieder abzuschalten, höre ich einen Motor starten. Der Kuschler zieht von dannen. 100 Meter weiter... damit können wir leben.
Malerische Übernachtungsplätze sind in Finnland leicht zu finden - und sogar meistens mit eigenem See.
Lapeenranta ist das Tor zur finnischen Seenplatte. Die meisten Seen sind irgendwie miteinander verbunden. Diese Seen-Welt ist derart vernetzt und verschachtelt, dass man eher den Eindruck bekommt, man befindet sich auf einer Inselwelt mit 1000 Brücken verbunden. Aber so ist es auch irgendwie. In jedem See befinden sich unzählige Inselchen. Eigentlich ist das Ganze nur ein einziger riesiger See mit Tausend Inseln. Und um Straßen durch diese Landschaft zu bauen, nutzt man jedwedes kleine Stück festen Grund, sei es eine Insel, ein Isthmus oder eine Aufschüttung. Das klingt sehr interessant. Ist es auch. Hat aber einen gewaltigen Nachteil. Meist sieht man von dieser Insel- und Seen-Welt nicht viel. Die Straßen führen meist nicht am Wasser lang, so sieht man eigentlich nur Bäume und nochmals Bäume. Nur selten bietet sich eine Möglichkeit, von der Straße ab zum Wasser zu gelangen.
Noch ein Beispiel eines idyllischen Übernachtungsplatzes. Im Hintergrund ein typisches Haus im Nordischen Stil.
Einmal fällt uns auf einer Mikroinsel ein Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen im Gebüsch auf, welches uns bekannt vorkommt. Hallo? Stand nicht vor ein paar Tagen ein junges Ehepaar mit diesem Fahrzeug in Estland im Fährhafen hinter uns in der Warteschlange? Und Tatsache, Melanie und Sebastian haben sich hier mit ihrem Sprinter-Camper hier gemütlich eingerichtet. Sie haben das gleiche Ziel wie wir. Auch sie wollen zum Nordkap. Sie betreiben die Webseite Kawanga.de.
Ach ja, ein Kleinod habe ich fast vergessen. An einem Strand von Lapeenranta finden jährlich Wettkämpfe im Sandburgenbau statt. Aber nicht irgendwelche Burgen des ordinären Publikums, sondern von Profis gebaut. Diese Burgen kann man den ganzen Sommer über bestaunen. So befindet sich immer ein fotogenes Schmuckstück darunter.
Die Sandburg (Hiekkalinna) wird jedes Jahr in Lappeenranta gebaut. Hierfür werden mehr als drei Millionen Kilo Sand an den gewünschten Stellen aufgehäuft, festgeklopft und in Formen gepresst, wonach das eigentliche Skulpturieren beginnt.
Wir planen eine Rundreise von 300 Kilometern durch diese Seen-Landschaft. Über viele viele Brücken und Fähren nach Norden und eine andere Strecke zurück, wieder über viele viele Brücken und Fähren nach Südosten. Dem ersten Highlight begegnen wir in...
Varkaus - das verrückte Museum
Diesen Abstecher gönnen wir uns nur wegen eines Museums. Wir sind keine Museumsgänger. Eigentlich hassen wir Museen. Wir haben schon so viele gesehen, dass sie uns schon aus dem Hals heraushängen. Aber dieses Museum ist etwas Besonderes. Ein Museum für mechanisch-automatische Musikinstrumente. Das größte und markanteste von ganz Skandinavien. Das müssen wir uns ansehen.
Montags hat das Museum geschlossen. Es ist Montag. Das darf doch nicht wahr sein. Also legen wir eben einen Waschtag ein. In einem Waschsalon legen wir für unsere müffelnde Wäsche sage und schreibe 50 Euro auf den Tisch, damit sie danach wieder riechbar wird. 50 Euro!
Das Museum ist der Hammer. Selten haben wir ein Museum gesehen, in dem soviel Herzblut steckt. Die Betreiber haben wirklich das verrückteste Zeugs aus aller Welt zusammengetragen. Automatische Klaviere, Roboter, die Klaviere bedienen, raumfüllende Orchestermaschinen und Tanzkapellen, VW-Bullis, die mit einem Tonabnehmer auf einer Schallplatte rumrasen und diese abspielen, und ganz verrückt: Stereo, Quadro und… wie soll man das Bezeichnen: Trilereo Grammophone. Ja… Grammophone in Stereo! Und das funktioniert.
Der Oberhammer ist allerdings der Mann, der das alles vorführt: dieser spricht fließend finnisch und deutsch. Und zwar gleichzeitig. Ich wusste gar nicht, dass sowas geht. Der Kerl ist nicht zu toppen!
Ein 6-minütiges Video demonstriert ein paar Instrumente.
Savonlinna und Kerimäki
Das Kulturzentrum der finnischen Seenplatte ist Savonlinna. Das Sankt Moritz Finnlands. Die Ortschaft verteilt sich auf mehrere kleine Inseln. Alle durch Brücken miteinander verbunden. Ein hübsches Städtchen. Sehenswert ist das Schloss, Finnlands Vorzeigeschloss. Auf einer kleinen Insel gelegen und über eine Drehbrücke zu erreichen. Die Drehbrücke dreht sich in dem Augenblick, als wir ankommen und lässt einen Kahn passieren.
Uns interessiert mehr die Eisdiele davor. Jeder von uns inhaliert zwei leckere dicke Kugeln. Bezahlt wird, wie soll es anders sein, kontaktlos per Apple-Pay.
Savonlinna liegt mitten in der Finnischen Seenplatte auf mehreren Inseln verteilt. Die bekannteste Sehenswürigkeit dieser Stadt ist die mittelalterliche Festung Olavinlinna.
Der Welt größte Holzkirche steht in Kerimäki. Ja, richtig gelesen. Die größte Holzkirche auf unserem Globus. Ein Monstrum. 5000 Leute sollen da reinpassen. Ursprünglich war sie nicht beheizt, doch inzwischen befinden sich riesige Bolleröfen darin. Der Legende nach wurde die Kirche von einem amerikanischen Architekten vor 150 Jahren entworfen, der aus seiner Gewohnheit die Maßeinheit „feet“ nutzte. Der europäische Baumeister allerdings verstand die Maße in Meter. So wurde die Kirche etwa dreimal so groß, wie geplant.
Die größte Holzkirche der Welt steht in Finnland. Hoffentlich schlagen die vier Bolleröfen im Innenraum keine Funken...
Warum ist diese Kirche so groß geraten? Sie bietet mehr Platz als der Kölner Dom!
Rovaniemi am Polarkreis - das Tor zur Arktis
Zwei Polargreise am Polarkreis. So empfanden wir uns selbst, als wir den 66 Breitengrad in die Arktis überquerten. Rovaniemi. Hier wohnt der Weihnachtsmann.
Rovaniemi ist das Tor zur Arktis, denn hier beginnt sie. 50.000 Einwohner harren hier aus. Am 21. Juni eines jeden Jahres geht die Sonne hier gar nicht unter und am 21. Dezember erst gar nicht auf. Im zweiten Weltkrieg wurde die Stadt einmal vollständig zerstört, als ein Deutscher Zug, vollbepackt mit Munition, am Bahnhof explodierte. Nun tummeln sich in dieser kleinen Großstadt Touristen en Masse, die im Winter die Aurora Borealis, also die Nordlichter, und im Sommer die Mitternachtssonne bestaunen möchten.
Ein paar Kilometer nördlich außerhalb der Stadt befindet sich der Polarkreis, und zwar genau ausgedrückt am Breitengrad 66° 33‘ 55‘‘. Hier haben die Finnen den Weihnachtsmann untergebracht. Hier wohnt er also. Hier kann man ihn auch im Sommer, wenn er nichts zu tun hat, antreffen. Dafür wurde ein ganzes Besucherzentrum mit unglaublichem Kitsch aufgebaut. Für Kinder gibt es ein ganzes Weihnachtsmanndorf.
Mit einem Bein in der Arktis. Ja, ab jetzt befinden wir uns in der Arktis. Und das barfuß?
Ein nicht zu übersehender dicker Strich kreuzt die Fußgängerzone. Genau hier, auf den Zentimeter genau, befindet sich der Polarkreis. Hier beginnt die Arktis. Ab hier geht im Sommer die Sonne nicht mehr unter. Wenn man dann also auf dem Strich steht, befindet sich ein Bein im Dunkeln und ein Bein im Hellen. Oder das eine Bein friert in der Arktis ab, während auf dem in der gemäßigten Zone befindlichen anderen Bein die Schweißperlen hinabtriefen.
Aber irgendwie ist es dann doch anders. Sogar ein paar Hundert Kilometer weiter im Norden, in der Ortschaft Inari, sitzen wir bei 27° Celsius in einem Straßencafé in der Sonne. Arktische Gefühle kommen bislang nur schwerlich auf. Befremdlich ist nur, dass es nachts nicht mehr dunkel wird.
Das Erlebnis der Mitternachtssonne ist bereits seit 6 Wochen vorbei. Trotzdem wird es nachts nicht dunkel.
Lappland und die Rentiere
Als wir unser erstes Rentier in unserem Leben sehen, kreischen wir. Wir zücken unsere Kameras und ich fahre vor lauter Aufregung fast in den Graben. „Guck mal, ein Ikea“. Es dauert aber nur einen Tag und die Viecher werden uns lästig. Die latschen wirklich überall rum. Stehen plötzlich vor dem Auto und glotzen uns an. Ständig muss man ihnen ausweichen, sie verursachen Staus, stehen in den Vorgärten der Häuser, auf deren Rasen, auf Parkplätzen. Wie die Karnickel in Australien.
Rentiere in Finnland haben sich an die Menschen gewöhnt - sie stehen überall im Weg rum.
Wir befinden uns im Lappland. Im Land der Rentiere und Elche. Was es natürlich auch gibt, sind Lappen und Samen. Die Lappen sind ein recht hartgesottenes Völkchen. Wie hartgesotten, kann man >hier< nachlesen. Die Samen verstecken sich lieber in Häusern aus Stroh, Wurzeln und Lehm und befinden sich eigentlich noch weiter im Norden.
Birken und Fichten gibt es auch. Viele. Ganz viele. Wenn man nach vorne schaut, sieht man Birken und Fichten. Schaut man zurück, sieht man auch Birken und Fichten. Schaut man nach rechts… genau… Birken und Fichten. Die linke Seite möchte ich gar nicht mehr ansprechen…
…und dann überqueren wir die Grenze nach Norwegen...
Grenze nach Norwegen überschritten. Das Nordkap ist nahe...
Corona
Den Umgang mit dem Mundschutz nimmt man in Finnland noch um einiges gelassener als im Baltikum. Auch hier bestand während unserer Reise keine Maskenpflicht. Einzig und allein die konsequente und selbstverständliche Nutzung von Desinfektionsmitteln und Hinweise auf Abstandhaltung von einem Meter. Desinfektionsautomaten oder Flaschen für die Hände stehen wirklich überall zur Verfügung.
Die Einreiseeinschränkungen für Touristen aus Deutschland wurde Mitte Juli komplett aufgehoben. Ende Juli fand unserer Einreise statt. Das war so einfach, als hätte man in Deutschland mit einer Fähre irgendwo den Main überquert. Keinerlei Kontrollen.
So kann man es in der Arktis aushalten - bei 27 Ceslius, oder?
DATEN UND FAKTEN ÜBER FINNLAND: siehe >hier<.
Hinweis
Eingegebene Kommentare sind nicht sofort sichtbar.
Der Trackspatz guckt immer erst mal drauf, ob's sich nicht schon wieder um Werbe-Spam handelt