Trackspatz auf Weltreise

Gallipoli

Gallipoli

Heute schreibe ich mal etwas zum Thema Krieg. Kein schönes Thema, aber wenn man direkt damit konfrontiert wird, dann sollte man auch darauf eingehen.

Gallipoli - eine türkische Halbinsel an den Dardanellen. Ein klangvoller Name für eines der sinnlosesten und zynischsten Gemetzel der Menschheitsgeschichte (soweit man „sinnlos“ überhaupt im Superlativ verwenden kann).

Man möge sich durch Google und Wikipedia über die Schlacht informieren, die ein Jahr von 2015 bis 2016 dauerte und über 100.000 Menschenleben kostete und etwa 300.000 Menschen verwundet und verstümmelt hinterließ. Sogar Australien schickte Truppen - und nach der sinnlosen Schlacht beklagte das Land fast zehntausend Tote und 28.000 Verwundete. Dazu noch ähnliches für Neuseeland. Es war ein unfassbarer Zermürbungskrieg, in dem auf beiden Seiten Massen an Soldaten hineingeschaufelt wurden ohne eigentliche Kampfperspektive. Der Begriff „Kanonenfutter“ trifft es hier genau.

Und die Türkei ist stolz darauf!

Exemplarisch für die unfassbar menschenverachtende Art der Kriegführung ist einer der türkischen Befehlshaber namens Mustafa Kemal Pascha. Als die ihm unterstellten Soldaten fragten, wann sie denn ihren Angriff starten sollten, antwortete er: „Ich befehle euch nicht, anzugreifen. Ich befehle euch zu sterben.“

Das taten sie.

Mustafa Kemal Pascha wird heute unter dem Namen Kemal Atatürk als Staatsgründer der heutigen Türkei tief verehrt.
Auf australischer Seite wurden die Soldaten nicht weniger niederträchtig verheizt. Der 25. April, der Tag ihrer Landung auf Gallipoli, wird heute noch als nationaler Gedenktag, als „Anzac Day“, gefeiert.
Mehr will ich dazu nicht schreiben. Es lässt sich alles nachlesen, und zur schlimmen Rolle Australiens gibt es einen vorzüglichen dokumentarischen Spielfilm von Peter Weir mit Mel Gibson.
Warum uns das betrifft? Nun, in Canakkale, der Stadt im Brennpunkt des Kriegsgeschehens von Gallipoli, betreibt die Türkei ein Kriegsmuseum, das wir uns nicht entgehen ließen.

Man besucht es in Form einer etwa halbstündigen Vorführung. Der „stationäre Teil besteht aus vielen Vitrinen und Schaukästen mit Kriegsmaterial, Waffen, Dokumenten, Uniformen und vielen, vielen Dioramen mit knapp lebensgroßen Puppen, die martialische Kampfhandlungen darstellen. Es wird viel gestorben. Es war nicht schön, sollte aber wohl so aussehen. Es sollte noch „besser“ kommen.

Einlass zur nächsten Showvorführung.

Wir betraten eine Art Bühne, stellten uns mit den anderen Besuchern ans Geländer, und schon begann ein Höllenspektakel:

Die ganze Plattform wackelte und bebte, infernalischer Kanonendonner rummste, und helle Blitze aus mehreren Scheinwerfern „rundeten“ das ganze nach unten ab. während vor uns auf der Panoramaleinwand Originalaufnahmen der einstigen Schlacht abliefen. Nach einigen Minuten ging es dann in den nächsten Raum, wo dann in ähnlicher Weise das Kriegsgeschehen geschildert wurde. Das Ganze lief denn auch unter streng türkisch-nationaler Sichtweise ab. Die Grenze zwischen einem „gepflegten“ Nationalismus und einem sich überschlagenden Hurra-Patriotismus nebst nachgerade burlesker Heldenverehrung und -verklärung ist eine schmale.

Man möchte sagen: Muss man einfach mal gesehen und erlebt haben. Aber in der Rückschau doch eher: Muss man eigentlich nicht.


Nun, als wir wieder ins Freie getreten waren und unsere Sinne sortiert hatten, war es später Nachmittag und somit Zeit, einen Übernachtungsplatz zu suchen. Ganz in der Nähe gab einen großen Parkplatz mit sanitären Einrichtungen, ideal zum Übernachten. Und da deutlich außerhalb der Feriensaison, waren wir dort mutterseelenallein und hätten niemanden gestört - aber diverse Verbotsschilder sagten ausdrücklich: Nichts da! Haut ab! Und während wir noch überlegten, was wir tun sollten, kam auch tatsächlich eine Patrouille angebraust, die offenbar nur die Aufgabe hat, entlang der gesamten Küste irgendwelche Camper zu vertreiben. Wir haben sie an dem Abend noch öfter gesehen.

Was blieb uns übrig, als weiterzufahren? Auf der Küstenstraße nach Norden. Also da, wo die Australier einst versucht hatten, an Land zu stürmen. Alle paar hundert Meter eine entsprechende Gedenkstätte mit Parkplatz. Und stets gespickt mit zig Verbotstafeln. Mehrfach fuhr auch besagte Patrouille an uns vorbei.

Wir versuchten einen Feldweg, der ins Landesinnere führte. Es gibt Böden, die bei Nässe glitschig werden wie Glatteis. So wie hier. Und es regnete. Prompt rutschten wir mit einem Rad in einen Graben und kämpften uns mühsam wieder heraus. Also zurück. Wenden ging nicht. Rückwärts raus - etliche hundert Meter. Inzwischen war es dunkel, und die Gefahr, wieder im Graben zu landen, war groß. Also lief ich zu Fuß voraus und dirigierte. Der Matsch umhüllte meine Füße.

Endlich waren wir wieder auf der Hauptstraße, aber wir hatten immer noch keinen Standplatz.

Am nächsten Abzweig schauten wir noch mal ums Eck - und trauten unseren Augen nicht: In der Mitte einer Weggabelung ein großer Baum mit einer blitzsauber gekiesten Fläche Drumherum. Wie extra für uns angelegt.

Nach gründlicher Fußwaschung konnten wir den Abend und eine ungestörte Nachtruhe genießen. Ohne Patrouille. Aber nachdenklich.

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Zausel

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Der Trackspatz guckt immer erst mal drauf, ob's sich nicht schon wieder um Werbe-Spam handelt

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